OLG Stuttgart · Beschluss vom 4. Juni 2007 · Az. 4 Ss 132/07
Sachverhalt
Der Betroffene überholte mit seinem Pkw den vor ihm in einer Fahrzeugkolonne befindlichen LKW; zu diesem Zwecke überfuhr er eine durchgezogene Linie. Der Lkw hatte eine Lücke zum vorausfahrenden Verkehr gelassen, um der in einer Querstraße stehenden KfZ-Führerin X die Einfahrt in die bevorrechtigte Straße zu ermöglichen. Bei dem Überholmanöver kam es dann zum Unfall zwischen dem Betroffenen und der X.
Bußgeldbescheid: 125 € Geldbuße & ein Monat Fahrverbot
Gerichtliche Entscheidung:
Geldbuße: 80 € ---- kein Fahrverbot
Begründung:
Der Betroffene hat bei unklarer Verkehrslage überholt und somit den Tatbestand des § 5 Abs. 3 Nr 1 StVO verwirklicht.
Eine unklare Verkehrslage liegt vor, wenn der Betroffene nicht mit einem ungefährlichen Überholvorgang rechnen kann.
Die Fahrzeugkolonne hielt an, als der Betroffene überholte. Er musste deshalb damit rechnen, dass Fahrzeuge vor ihm eine Lücke lassen, um wartenden Gegenverkehr einbiegen zu lassen.
Daneben hat der Betroffene die Ordnungswidrigkeit nach (dem damaligen) § 41 Abs. 3 Nr 3 a StVO verwirklicht, da er über eine durchgezogene Linie fuhr.
Eine Fahrverbot kann nicht verhängt werden, da die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG nicht vorliegen.
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG kann gegen den Betroffenen ein Fahrverbot verhängt werden, wenn er eine Ordnungswidrigkeit unter grober und beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat.
Zwar hat der Betroffene nicht nur bei unklarer Verkehrslage überholt, sondern auch die Fahrbahnbegrenzung überfahren. Durch die Fahrbahnbegrenzung soll jedoch der für den Gegenverkehr bestimmte Teil der Fahrbahn begrenzt werden. Die Fahrbahnbegrenzung dient daher dem Schutz des Gegenverkehrs. Die unklare Verkehrslage bezieht sich auf den zu überholenden und den Querverkehr, denn der Gegenverkehr wird bereits durch § 5 Abs. 2 Satz 1 StVO ausreichend geschützt.
Es ist nicht sinnvoll, wenn ein Fehlverhalten gegenüber den Querverkehr gravierender eingestuft wird, weil gleichzeitig dabei eine Norm verletzt wird, die nicht dessen Schutz, sondern dem Schutz des Gegenverkehrs dient. Dementsprechend ist im Bußgeldkatalog § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO nicht aufgeführt. Da somit Nummer 19.1.1 des Bußgeldkatalogs nicht einschlägig ist, kann hierauf die Verhängung eines Fahrverbots nicht gestützt werden.
Für das Überholen bei unklarer Rechtslage hat das Gericht 75 € angesetzt. Für das Überfahren der Fahrbahnbegrenzung 30 € und die Geldbuße dann angemessen auf insgesamt 80 € erhöht. Diese Geldbuße war unter Berücksichtigung, dass der Betroffene nicht im Verkehrszentralregister eingetragen war und des Mitverschuldens der Unfallbeteiligten angemessen
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